Zusammenfassung des Urteils EL 2017/44: Versicherungsgericht
Die Versicherten A. und B. bezogen Ergänzungsleistungen zur AHV-Rente. Nach einer Überprüfung wurden die Leistungen rückwirkend neu berechnet, was zu einer Ablehnung der Leistungsberechtigung für bestimmte Jahre führte. Die Versicherten legten Einspruch ein, der jedoch abgewiesen wurde. Später wandte sich die Versicherte an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, da sie die Beschwerdefrist übersehen hatte. Trotz Bemühungen der Versicherten, die finanzielle und gesundheitliche Situation zu erklären, wurde die Beschwerde nicht akzeptiert, da sie ausserhalb der Frist eingereicht wurde. Es wurde festgestellt, dass keine formgültige Beschwerde innerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben wurde, daher wurde nicht darauf eingetreten und es wurden keine Gerichtskosten erhoben.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | EL 2017/44 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | EL - Ergänzungsleistungen |
Datum: | 12.02.2018 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 30, Art. 39 Abs. 2, Art. 58 Abs. 3, Art. 60, Art. 61 lit. b ATSG. Anforderungen an den Inhalt einer Beschwerde und Umfang der Weiterleitungspflicht.Eine verbesserungsfähige und weiterleitungspflichtige Beschwerde muss eine Nichteinverständniserklärung und den Willen, die Sache durch die zuständige Rechtsmittelinstanz beurteilen zu lassen, enthalten. Die Weiterleitungspflicht beschränkt sich auf jene Fälle, in denen eine Beschwerde offensichtlich versehentlich an den falschen Adressaten geraten ist; an den Mindestanforderungen, die an den Inhalt einer Beschwerde zu stellen sind, vermag sie nichts zu ändern (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Februar 2018, EL 2017/44). |
Schlagwörter: | Einsprache; Recht; Einspracheentscheid; Rechtsmittel; EL-Durchführungsstelle; Gallen; Versicherungsgericht; Kantons; Quot; Rechtsmittelinstanz; Bundes; Beschwerdefrist; Einspracheentscheides; Rechtsmittelbelehrung; Wille; Bundesgericht; ELDurchführungsstelle; Verfügung; Person; Nichteinverständnis; Entscheid; EL-Anspruch; Situation; Frist; ändigen |
Rechtsnorm: | Art. 30 ATSG ;Art. 38 ATSG ;Art. 39 ATSG ;Art. 40 ATSG ;Art. 60 ATSG ; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
Besetzung
Präsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin Huber-
Studerus; Gerichtsschreiberin Annemarie Haase Geschäftsnr.
EL 2017/44
Parteien
A. ,
B. ,
Beschwerdeführer,
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, Gegenstand Ergänzungsleistung zur AHV Sachverhalt
A.
A. und B. bezogen seit 2013 Ergänzungsleistungen zu ihrer AHV-Rente. Im Rahmen der periodischen Überprüfung der Ergänzungsleistungen berechnete die EL- Durchführungsstelle den EL-Anspruch mit der Verfügung vom 16. Februar 2016 rückwirkend neu. Für die Jahre 2014, 2015 und 2016 ergab sich jeweils ein Einnahmenüberschuss, weshalb die EL-Durchführungsstelle eine EL- Anspruchsberechtigung rückwirkend für diesen Zeitraum verneinte. Für die Periode von Mai bis Dezember 2013 ergab sich ein unveränderter EL-Anspruch und ab Januar 2017 ein EL-Anspruch in Höhe von monatlich Fr. 782.--. Die EL-Durchführungsstelle erklärte, dass die von Januar 2014 bis Dezember 2016 bezahlten Prämienpauschalen vom Krankenversicherer der Versicherten zurückgefordert würden (vgl. act. G 1.1 und act. G 7.3 f.).
Gegen diese Verfügung erhoben die Versicherten am 22. Februar 2017 eine Einsprache, die die EL-Durchführungsstelle mit einem Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 abwies. Auf der letzten Seite des Einspracheentscheides befand sich eine vollständige Rechtsmittelbelehrung (act. G 1.1).
Am 14. Juni 2017 wandte sich die Versicherte an die EL-Durchführungsstelle und erklärte, sie habe nach Erhalt des Einspracheentscheides vom 12. Juni 2017 "nochmals alles durchgeschaut" und vereinzelte Differenzen gesehen, die jedoch nicht so gross seien, wie die EL-Durchführungsstelle behaupte. Sie habe nicht gewusst, dass sie den mit ihren Steuern betrauten Steuersekretär kontrollieren müsse und wäre über einen entsprechenden Hinweis durch die EL-Durchführungsstelle froh gewesen. Für die Jahre 2014, 2015 und 2016 beantrage sie für ihren Ehemann und sich eine Prämienverbilligung bei der EL-Durchführungsstelle. Weiter legte die Versicherte ihre finanzielle und gesundheitliche Situation dar und bat die EL-Durchführungsstelle um Verständnis (act. G 1.2). Die EL-Durchführungsstelle bestätigte am 22. Juni 2017 die Kenntnisnahme des Schreibens der Versicherten vom 14. Juni 2017 und informierte die Versicherte, dass der Antrag um IPV geprüft werde, sobald der Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 in Rechtskraft erwachsen sei. Trotz der schwierigen finanziellen Situation der Versicherten sehe sie allerdings keinen Anlass, auf den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 zurückzukommen (act. G 5.2).
B.
Am 25. Oktober 2017 wandte sich die Versicherte an das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen und erklärte, sie habe die letzte Seite des Einspracheentscheides nicht gelesen und deshalb übersehen, dass sie eine Einsprache (recte: Beschwerde) gegen den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen richten müsse. Die Versicherte schilderte erneut ihre finanzielle und gesundheitliche Situation, erzählte von einer Rückforderung ihrer Krankenkasse C. über zu viel bezogene EL in Höhe von Fr. 17'616.-- und bat darum, ein gutes Wort bei der EL-Durchführungsstelle einzulegen. Für das Jahr 2017 bestehe ja wieder ein EL-Anspruch. Eine Antwort auf ihr Schreiben vom 14. Juni 2017 an die EL-Durchführungsstelle habe sie bislang nicht erhalten (act. G 1).
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die Versicherte am 2. November 2017 darauf hin, dass dem Schreiben vom 25. Oktober 2017 nicht entnommen werden könne, ob sie gegen den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 eine Beschwerde erheben wolle. Ein entsprechender Beschwerdewille sei bis zum 22. November 2017 zu erklären. Allerdings müsse darauf hingewiesen werden, dass die
Beschwerdefrist ohnehin längst abgelaufen sei. Auf eine allfällige Beschwerde könne deshalb nur eingetreten werden, wenn sie glaubhaft machen könne, dass sie am Nichteinhalten der Beschwerdefrist kein nur ein leichtes Verschulden treffe und dass sie mit dem Schreiben vom 25. Oktober 2017 innert zehn Tagen auf den Irrtum reagiert habe. Der Umstand, dass sie die letzte Seite des Einspracheentscheides vom
12. Juni 2017 nicht gelesen habe, wäre wohl als schweres Verschulden zu werten und könne somit keine Fristwiederherstellung erlauben (act. G 2).
Die Versicherte berichtete am 4. November 2017, sie hätte gegen die Verfügung der EL-Durchführungsstelle vom 21. Februar 2017 eine Einsprache erhoben. Ausserdem habe sie immer auf jeden Brief der EL-Durchführungsstelle reagiert, obwohl sie psychisch angeschlagen sowie Hausfrau, Mutter und Betreuerin ihrer 95-jährigen Mutter sei. Weder sie noch ihr Ehemann seien zu faul zum Arbeiten. Sie seien lediglich aufgrund ihres Alters nicht mehr so leistungsfähig wie früher. Sie habe nicht absichtlich einen Fehler gemacht und hoffe, man werde ihr helfen. Ein Mitarbeiter der EL- Durchführungsstelle hätte ihnen sagen müssen, dass die EL-Durchführungsstelle nicht mehr zuständig sei (act. G 3).
Die EL-Durchführungsstelle nahm am 28. November 2017 zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde vom 25. Oktober 2017 gegen den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 Stellung. Die Beschwerdefrist sei längst abgelaufen und eine Wiederherstellung der Beschwerdefrist sei nicht möglich. Weil dem Schreiben vom 14. Juni 2017 kein Beschwerdewille zu entnehmen gewesen sei, sei eine Weiterleitung an das Versicherungsgericht nicht erforderlich erschienen. Ausserdem sei den Versicherten am
22. Juni 2017 mitgeteilt worden, dass anhand des Schreibens vom 14. Juni 2017 kein Anlass für ein Zurückkommen auf den Einspracheentscheid gesehen werde (act. G 5).
Die Versicherte erklärte am 4. Dezember 2017, sie sei zu 100% invalide, weshalb sie für das Übersehen der letzten Seite des Einspracheentscheids nicht vollständig zur Rechenschaft gezogen werden dürfe. Sie habe nämlich auf den Einspracheentscheid reagiert, sich dabei lediglich an den falschen Adressaten gewandt (act. G 7). Die EL- Durchführungsstelle verzichtete am 12. Dezember 2017 auf eine Stellungnahme (act. G 9).
Am 9. Februar 2018 setzte die Versicherte das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen darüber in Kenntnis, dass sie und ihr Ehemann die Festhypothek auf ihr Haus um Fr. 40'000.-- erhöhen mussten, um die Forderungen der Krankenkasse erfüllen zu können (act. G 10).
Erwägungen
1.
Mit dem Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 hat die EL-Durchführungsstelle den EL-Anspruch der Versicherten rückwirkend für die Jahre 2014, 2015 und 2016 verneint und ihnen ab dem 1. Januar 2017 Ergänzungsleistungen in Höhe von monatlich Fr. 782.-- zugesprochen, weil der jährliche Hypothekarzins für ihr Haus höher gewesen sei, als bislang angenommen. Die dem Krankenversicherer von Januar 2014 bis Dezember 2016 zu Unrecht ausbezahlten Prämienpauschalen seien von diesem zurückzufordern (act. G 1.1). Die Versicherte hat sich mit einem Schreiben vom 14. Juni 2017 (betitelt mit "Betrifft Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017") an die EL- Durchführungsstelle gewandt. Darin hat sie eingestanden, die von der EL- Durchführungsstelle genannten Differenzen erkannt zu haben, dies jedoch nicht in dem im Einspracheentscheid beschriebenen Umfang. Weiter hat sie angestossen, die Versichertengemeinschaft müsse darauf aufmerksam gemacht werden, dass eigene Angaben stets überprüft werden müssten, selbst wenn diese durch ausgebildete Steuersekretäre gemacht worden seien. Die Versicherte hat die Gewährung der Prämienverbilligung für die Jahre 2014, 2015 und 2016 für sich und ihren Ehemann beantragt, auf ihre gesundheitliche und finanzielle Situation hingewiesen und um Verständnis gebeten (act. G 1.2). Es stellt sich die Frage, ob es sich beim Schreiben vom 14. Juni 2017 möglicherweise um eine fristwahrende Beschwerde gehandelt hat, die von der EL-Durchführungsstelle gemäss Art. 30 i.V.m. Art. 39 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1; ATSG) an die zuständige Rechtsmittelinstanz, also an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, hätte weitergeleitet werden müssen.
Ein Einspracheentscheid eines Sozialversicherungsträgers kann mit einer
Beschwerde beim kantonalen Versicherungsgericht angefochten werden (Art. 56 Abs. 1
ATSG). Die Beschwerdefrist beträgt 30 Tage (Art. 60 Abs. 1 ATSG). Diese Frist beginnt am Tag nach der Zustellung des Einspracheentscheides zu laufen (Art. 60 Abs. 2 ATSG
i.V.m. Art. 38 Abs. 1 ATSG) und endet am nächstfolgenden Werktag, wenn ihr Ende auf einen Samstag, auf einen Sonntag auf einen vom Bundesrecht vom kantonalen Recht anerkannten Feiertag fällt (Art. 60 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 38 Abs. 3 ATSG). Die Frist ist gewahrt, wenn eine schriftliche Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsgericht eingereicht zu dessen Handen der Post übergeben wird (Art. 60 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 39 Abs. 1 ATSG). Die Beschwerdefrist kann nicht erstreckt werden (Art. 60 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 40 Abs. 1 ATSG). Das Schreiben vom 14. Juni 2017 ist zwei Tage nach Erlass des Einspracheentscheides und somit innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist bei der EL-Durchführungsstelle eingegangen. Sollte das Schreiben als Beschwerde qualifiziert werden können, so wäre unter der Berücksichtigung von Art. 30 i.V.m. Art. 39 Abs. 2 ATSG darauf einzutreten.
Gemäss Art. 61 lit. b ATSG muss eine Beschwerde eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten; genügt die Beschwerde diesen Anforderungen nicht, so kann sie nachträglich verbessert werden. Eine (verbesserungsbedürftige) Beschwerde kann also vorliegen, auch wenn die Voraussetzungen von Art. 61 lit. b ATSG nicht erfüllt sind. Dazu muss aus der mangelhaften Beschwerdeschrift jedoch immerhin der Wille erkennbar sein, ein Rechtsmittel zu erheben (ALAIN GRIFFEL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], N 31 zu § 23 VRG, S. 731). Ausserdem muss aus der Eingabe mindestens der Wille der betreffenden Person klar hervorgehen, als beschwerdeführende Partei aufzutreten und eine sie berührende Verfügung anzufechten (A. KÄLZ/I. HÄNER/M. BERTSCHI, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. A., Rz 1015, S. 359). Damit eine Rechtsschrift als eine (verbesserungsfähige) Beschwerde anerkannt werden kann, muss sie also zwei Voraussetzungen erfüllen: Sie muss die Richtigkeit einer Verfügung eines Einspracheentscheides in Frage stellen und sie muss den Willen erkennen lassen, die zuständige Rechtsmittelinstanz um die entsprechend korrigierte Entscheidung zu ersuchen. Das Bundesgericht hat sich demgegenüber dafür ausgesprochen, dass eine fristwahrende Beschwerde bereits dann vorliege, wenn ein in prozessual gehöriger Form klar bekundeter Anfechtungswille zu bejahen sei (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 21. September 2015 9C_211/2015 E 2.1). Diese Eingabe sei dann gemäss Art. 30
ATSG an das zuständige kantonale Versicherungsgericht weiterzuleiten (Urteil des Bundesgerichts vom 21. September 2015 9C_211/2015 E 2.1). Gemäss Art. 39 Abs. 2 ATSG i.V.m. Art. 60 Abs. 2 ATSG gilt eine Frist im Rechtspflegeverfahren als gewahrt, wenn die Partei rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherungsträger gelangt. Somit könnte eine versicherte Person, die eine mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Rentenverfügung der IV-Stelle St. Gallen erhalten hat, ihrem Ärger über den Inhalt dieser Verfügung in einem Schreiben an die Arbeitslosenkasse St. Gallen Luft machen und dann erwarten, dass die Arbeitslosenkasse dieses Schreiben als fristwahrende Beschwerde an die zuständige Rechtsmittelinstanz, das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, weiterleitet. Würde eine versicherte Person demgegenüber einer Rechtsmittelbelehrung zuwiderhandeln, indem sie ihre Beschwerde nach 50 statt nach 30 Tagen (Art. 60 ATSG) bei der zuständigen Rechtsmittelbehörde einreichen würde, müsste dies ein Nichteintreten zur Folge haben (vgl. hierzu beispielsweise die Urteile des Bundesgerichts vom 20. Oktober 2008, 3. Juli 2009 und 6. Juli 2010 [8C_639/2008, 9C_381/2009, 9C_440/ 2010]). Warum die Weiterleitungspflicht nach Art. 30 ATSG nach Auffassung des Bundesgerichts "Beschwerden" von versicherten Personen "retten" soll, die die Rechtsmittelbelehrung nicht nicht sorgfältig gelesen und deshalb weder durch den Inhalt ihres Schreibens noch durch die Adressierung desselben den Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich an die zuständige Rechtsmittelinstanz zu wenden, während auf die "Beschwerden" von versicherten Personen, die aufgrund derselben Unachtsamkeit die Beschwerdefrist versäumt haben, nicht eingetreten werden darf, ist nicht ersichtlich. Die niedrigen Anforderungen, die das Bundesgericht an das Vorliegen einer verbesserungsfähigen, fristwahrenden und somit nach Art. 30 ATSG weiterleitungspflichtigen Beschwerde stellt, sind also einzig auf eine unzulässige Ausdehnung des Begriffs der Weiterleitungspflicht zurückzuführen; sie würden die Bedeutung der Rechtsmittelbelehrung in Bezug auf die anzurufende Rechtsmittelinstanz im Ergebnis vollständig aushebeln. Deshalb ist weiterhin an der ständigen Praxis des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen festzuhalten, gemäss welcher eine Beschwerde eine Nichteinverständniserklärung enthalten und den Willen der beschwerdeführenden Person erkennen lassen muss, die Sache von der zuständigen Rechtsmittelinstanz überprüfen zu lassen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 26. Februar 2015, IV 2012/58, E 1.4). Die Weiterleitungspflicht gemäss Art. 30 ATSG kann also nur in Fällen greifen, in
denen eine Beschwerde ganz offensichtlich versehentlich an den falschen Adressaten gelangt ist. Einen mangelhaften Beschwerdeinhalt vermag sie hingegen nicht zu "heilen".
2.
Damit das Schreiben vom 14. Juni 2017 als Beschwerde betrachtet werden kann, muss darin die Richtigkeit des Einspracheentscheids vom 12. Juni 2017 in Frage gestellt und der Wille geäussert worden sein, die zuständige Rechtsmittelinstanz, also das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, um die entsprechend korrigierte Entscheidung zu ersuchen.
Die EL-Durchführungsstelle hat am 22. Juni 2017 erklärt, sie werde den Antrag der Versicherten um die individuelle Prämienverbilligung für die Jahre 2014, 2015 und 2016 prüfen, sobald der Einspracheentscheid in Rechtskraft erwachsen sei. Trotz der geschilderten schwierigen finanziellen Situation sehe sie keinen Anlass, auf den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 zurückzukommen bzw. diesen in Wiedererwägung zu ziehen (act. G 5.2). Die EL-Durchführungsstelle selbst hat das Schreiben der Versicherten vom 14. Juni 2017 also nicht als Beschwerde, sondern vielmehr als Wiedererwägungsgesuch und als Antrag um Prämienverbilligung interpretiert. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob das Schreiben vom 14. Juni 2017 überhaupt die selbst vom Bundesgericht verlangte Nichteinverständniserklärung enthält. Als eine solche Nichteinverständniserklärung könnte nur jener eine Satz des knapp zweiseitigen Schreibens der Versicherten interpretiert werden, in dem diese anmerkt, die Differenzen zwischen der ursprünglichen EL-Berechnung und der Realität seien nicht so hoch wie von der EL-Durchführungsstelle behauptet (act. G 1.2). Ob diese Aussage bereits den Anforderungen an ein Nichteinverständnis gegenüber dem Einspracheentscheid genügt, ist sehr fraglich. Abgesehen von einer Nichteinverständniserklärung hätte die Versicherte auch erklären müssen, dass sie eine Beurteilung der Sache durch die zuständige Rechtsmittelinstanz verlangt. Die Versicherte hat das Schreiben vom 14. Juni 2017 jedoch weder der zuständigen Rechtsmittelinstanz, also dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, zugestellt, noch geht aus dem Inhalt dieses Schreibens hervor, dass dies eigentlich ihre Absicht gewesen wäre. Am 25. Oktober 2017 hat die Versicherte dem Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen erklärt, dass sie ihr Schreiben vom 14. Juni 2017 allein deshalb nicht an dieses als zuständige Rechtsmittelinstanz gerichtet habe, weil sie die Rechtsmittelbelehrung nicht gelesen habe. Nach dem Gesagten können dem Schreiben vom 14. Juni 2017 an die EL-Durchführungsstelle jedoch keine Hinweise auf das Vorliegen des Willens, die zuständige Rechtsmittelinstanz um eine Beurteilung der Sache zu ersuchen, entnommen werden. Ausserdem ist es zweifelhaft, ob die Versicherte in diesem Schreiben überhaupt eine Nichteinverständniserklärung in Bezug auf den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 abgegeben hat. Dass die Versicherte nun nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in ihrem Schreiben an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen vom 25. Oktober 2017 behauptet hat, sie hätte sich mit ihrem Schreiben vom 14. Juni 2017 eigentlich an die zuständige Rechtsmittelinstanz, also an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, wenden wollen, ist als reine Schutzbehauptung und deshalb als unerheblich zu qualifizieren. Das Schreiben vom
14. Juni 2017 kann deshalb auch unter der Berücksichtigung von Art. 30 i.V.m. Art. 39 Abs. 2 ATSG nicht als eine fristwahrende Beschwerde akzeptiert werden.
3.
Die Versicherte hat sich am 25. Oktober 2017 an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen gewandt und erklärt, sie habe die Rechtsmittelbelehrung auf der letzten Seite des Einspracheentscheides übersehen und somit nicht gewusst, dass sie eine "Einsprache" (recte: Beschwerde) gegen den Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 an das Versicherungsgericht richten des Kantons St. Gallen müsse (act. G 1). Weil die Versicherte bereits am 14. Juni 2017 ein Schreiben an die EL- Durchführungsstelle aufgesetzt hat, das den Titel "Betrifft Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017" getragen hat, ist davon auszugehen, dass der Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 spätestens am 14. Juni 2017 bei den Versicherten eingegangen ist. Die Beschwerdefrist ist deshalb gemäss Art. 60 ATSG dreissig Tage später, also am 14. Juli 2017 abgelaufen. Das Schreiben vom 25. Oktober 2017 ist ausserhalb der Beschwerdefrist eingegangen. Unabhängig davon, ob das Schreiben vom 25. Oktober 2017 die Voraussetzungen, die an eine gemäss Art. 61 lit. b ATSG nachbesserungsfähige Beschwerde gestellt werden, erfüllt hat, kann darauf nicht eingetreten werden, weil der damit angefochtene Einspracheentscheid vom 12. Juni 2017 bereits in formelle Rechtskraft erwachsen war.
4.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass innerhalb der Rechtsmittelfrist keine formgültige Beschwerde erhoben worden ist. Auf die verspätete Beschwerde vom 25. Oktober 2017 ist nicht einzutreten. Gerichtskosten sind keine zu erheben.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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